Am 24. Februar jährte sich der imperialistische und völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine zum ersten Mal. Dieser Angriffskrieg ist eine Zäsur, vieles ist nicht mehr so, wie es einmal war. Die Welt ist eine andere geworden.
Wir alle und auch ich, haben geglaubt, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Fall der Mauer und somit der Teilung zwischen Ost und West, ist ein Krieg mitten in Europa, bei dem ein Land ein anderes Land überfällt und dessen territoriale Integrität in Frage stellt und skrupellos missachtet – sich dessen Territorium mit militärischen Mitteln einverleibt, nicht mehr vorstellbar. Russland missachtet faktisch die Normierungen des Völkerrechts. Das ist inakzeptabel und darf niemals akzeptiert oder stillschweigend geduldet oder akzeptiert werden. Hier kann es keinen Kompromiss geben. Der Aggressor darf niemals in seinem gewissenlosen Handeln eine Bestätigung finden.
Der Krieg in der Ukraine macht uns alle fassungslos und ist durch nichts zu rechtfertigen. Krieg ist immer ein Zivilisationsbruch und ein Abgrund der Unmenschlichkeit. Was die Menschen Schreckliches in der Ukraine erleiden, ist kaum vorstellbar. Kriegsverbrechen, Vergewaltigungen, Bombenterror, Zerstörungen und ein rücksichtsloses militärisches Agieren gegen die Zivilbevölkerung sind leider Wirklichkeit. Das alles ist nicht zu ertragen, genauso unerträglich sind die absurden „Rechtfertigungen“ Putins oder gar dessen Legende, der Westen habe Russland angegriffen und man führe sozusagen einen Befreiungskampf gegen Nazis in der Ukraine. Wer so etwas als abstruses Weltbild konstruiert, wer sich vom gewissenlosen Täter zum Opfer erklärt, muss schon sehr unter einer ausgeprägten Realitätsverweigerung leiden.
Ja, wir stecken in einem Dilemma und für viele Positionen gibt es gute und moralisch fundierte Begründungen. Und Sie können mir als einem überzeugten linken Sozialdemokraten glauben, das, was seit dem 24. Februar 2022 und schon mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 geschehen ist, treibt mich um. Ich bin friedenspolitisch geprägt, ich vertrete grundsätzlich den Standpunkt, Verhandlungen und Diplomatie sind immer besser als Militär. Gleichwohl sehe ich nun einmal auch einen imperialistischen Aggressor mit Großmachtphantasien im Kreml, der scheinbar nur die Logik der Durchsetzung politischer Ziele mit militärischen Mitteln zu kennen scheint. Verhandlungen, Diplomatie und ein Ende des Krieges – das fordere ich auch. Allerdings darf dies kein Diktatfrieden sein, der den Völkerrechtsbruch Putins letztlich im Kern hinnimmt. Das würde das Völkerrecht ad absurdum führen.
Die Ukraine bedarf zwingend der Solidarität – politisch und zur Verteidigung gegen den Aggressor auch militärisch. Dies ist eine legitime Erkenntnis, die sich für mich aus der realen Situation ergibt. Die Ukraine ist angegriffen worden, sie hat das Recht auf Selbstverteidigung gegen Putin und seine Invasionsarmee. Gleichwohl – und da ist der Wunsch mehr Vater des Gedankens – müssen wir endlich aus der militärischen Logik herauskommen. Die militärische Eskalation und die sich weltweit abzeichnende Rüstungsspirale müssen uns zutiefst besorgen, sie wird uns dem Frieden und dem Schweigen der Waffen nicht näherbringen.
Auch wenn es derzeit kaum möglich erscheint und naiv klingen mag, muss es wieder Wege zur Diplomatie geben, die diesen Irrsinn beenden und die Waffen schweigen lassen.
Es gibt hier keine einfachen Antworten. Der Völkerrechtsbruch und der Überfall auf einen souveränen Staat sind durch nichts entschuldbar. Auf der anderen Seite ist jeder Tag, der verhandelt wird, besser als die tägliche Zerstörung und das unermessliche Leid des Krieges. Doch das setzt voraus, dass es den ernsthaften Willen dazu gibt, in dem Bewusstsein, dass das Völkerrecht gilt. Dafür lasst uns eintreten, auch wenn ich den ernsthaften Willen noch nicht erkennen kann!